Ganz schön gewagt? Die Casa Don Bosco in Haidhausen

„Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen“. In großen Lettern ziert das Zitat des Namensgebers die Fassade der Casa Don Bosco an der Auerfeldstraße in Haidhausen. Achtzehn Monate nach Grundsteinlegung wurde das von vielen Münchnerinnen und Münchnern mit Spannung erwartete Gebäude fertiggestellt. Im Rahmen der Langen Nacht der Architektur (20. Januar 2017) ist es jetzt zu besichtigen.

Kontextuelles Bauen

Keine schrillen Farben. Kein Blech an der Fassade. Kein gestalterischer Bruch durch Sichtbeton oder peppige Assymetrien. Und dann auch noch geneigte, ziegelgedeckte Dachflächen. Auf den ersten Blick ist die Casa -um bisweilen überstrapazierten Stadtgestaltungskommissions-Sprech zu bemühen- bestimmt kein „mutiger Akzent“. Dieses Prädikat, das manch PR-affiner Architekt gierig für sich und seine Werke in Anspruch nimmt, passt nicht zu dem Gebäude. Und vermutlich liegt genau darin eine seiner bemerkenswertesten Qualitäten. Die fein gegliederte Fassade zur Straße hin erinnert mit ihren großen Bogenfenstern an den im Krieg zerstörten, neoromanischen Vorgängerbau. Hinter großen, alten Bäumen ist eine Verbindung zu den Bestandsbauten des Salesianums entstanden, die sich wie selbstverständlich mit ihrem neuen Nachbarn vereinen. Die Casa tritt „in den Dialog mit der gewachsenen Umgebung“, wie die Erbauer sagen – und dieser Dialog ist ganz offensichtlich kein Streitgespräch.

Die Architektengemeinschaft von Studio Di Monaco und Büro Beckert folgt mit ihrem Neubau konsequent dem Ansatz des „Kontextuellen Bauens“, das ganz besonders den Ort, dessen Umgebung und dessen Geschichte in den Mittelpunkt der Gestaltung stellt. Wohl auch deshalb wirkt der Neubau auf Anhieb so vertraut. Er wird bald ein noch selbstverständlicherer Teil des Viertels sein, dann, wenn seine Räume mit Leben gefüllt sind und die Fassaden etwas Patina angesetzt haben. Die Casa ist sicherlich einer der wenigen Neubauten in München, deren Ausstrahlung sogar davon profitiert, wenn der Zahn der Zeit an ihnen nagt.

Bauen für Generationen

Sorgen, dass dann plattenweise Dämmmaterial und anderer Sondermüll von der Fassade bröckeln, muss man sich bei der Casa Don Bosco nicht machen. Obwohl der Multifunktionsbau, in dem unter anderem drei Kitas, Klassenräume eines Gymnasiums und günstige Wohnungen untergebracht sind, ein Niedrigenergiehaus ist, kommt er ohne diese Dämmschichten aus. Die Casa ist ein flexibel nutzbarer Massivbau, bei dem besonderer Wert auf den Einsatz ökologischer und nachhaltiger Materialien gelegt wurde. Die Architekten um Helm Andreas Heigl haben gemeinsam mit einem traditionsreichen Münchner Bauunternehmen und einem Baustoffhersteller innovative Lösungen und Techniken entwickelt, die nicht nur gestalterisch völlig neue Möglichkeiten eröffnen, sondern dabei auch effizient und kostengünstig sind. Die Casa liegt bei den Baukosten „unterhalb der Kostenkennwerte für Vergleichsobjekte“, wie die Architekten betonen. Auch im laufenden Unterhalt verursache der Neubau dank einer durchdachten Kälte- und Wärmetechnik unterdurchschnittliche Kosten, sagen sie. Die „Lebenszeit“ der Casa ist außerdem auf drei Generationen ausgelegt – ein Zeitraum, von dem man bei manch städtischem Vergleichsvorhaben nur träumen kann.

Architektur für Menschen

Bei den Anwohnern, Bewohnern und künftigen Nutzern in Haidhausen kommen das Konzept und ganz besonders die Gestaltung der Casa bestens an. Der Zuspruch ist unüberhörbar und generationsübergreifend. Das wird innerhalb einer vorwiegend dem industriellen Bauen verpflichteten Architektenszene natürlich reflexartig die Frage aufwerfen, ob Konsens und breite Zustimmung aus der Bevölkerung ein gestalterisches Qualitätsmerkmal darstellen. Ein Argument gegen diese Art des Bauens sind sie zumindest nicht: Architektur ist für Menschen gemacht.

Trotz der großen Unterstützung musste sich die Casa auch gegen vereinzelten Widerstand behaupten.  Vier Mitglieder der Münchner Stadtgestaltungskommission forderten noch in der Planungsphase vehement eine Ablehnung des vorgelegten Gestaltungskonzepts mit Bezug auf Ort und Geschichte. Ihr Vorstoß in dem nicht unumstrittenen Gremium scheiterte nicht zuletzt an zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden (Teil-)Genehmigungen. Man kann nur vermuten, welche Alternative sich im Falle einer Neuausschreibung durchgesetzt hätte. Die gewaltigen, dämmstoffummantelten Flachdach-Blöcke der „Welfenhöfe“ unweit der Casa wurden nur wenige Jahre zuvor vom selben Gremium ohne nennenswerten Widerspruch durchgewunken. Die grauen Blöcke gelten vielen Münchnerinnen und Münchnern schon heute als Musterbeispiele stadtgestalterischer Fehlplanung in Haidhausen. Bereits kurz nach Fertigstellung reduzierten selbst einige der Verantwortlichen für das Debakel die Qualitäten der „Welfenhöfe“ auf den Aspekt des Lärmschutzes.

„Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.“

Auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen, dem Druck nicht nachzugeben und an ihrer Vision von kontextuellem, nachhaltigem Bauen festzuhalten, ist das eigentliche Verdienst der Bauherren und Architekten der Casa Don Bosco. Schon deshalb ist dieser Neubau tatsächlich das, was andere so gerne wären: Modern. Anders. Und tatsächlich ganz schön gewagt.

 

Weitere Infos zur Besichtigung der Casa Don Bosco im Rahmen der Langen Nacht der Architektur am 20. Januar 2017 (19:00 – 24:00 Uhr) gibt es hier.

Infos zur Casa auf den Seiten des Architekturbüros Studio Di Monaco finden Sie hier